22. Dezember 2016
StichworteReform, Mutterschutzrecht, Mutterschutz, Schwangerschaft

Nach der Reform des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) hat der Gesetzgeber nunmehr auch das Mutterschutzrecht reformiert. Nachdem das Bundeskabinett im Frühjahr einen Reformentwurf des Mutterschutzgesetzes vorgelegt hatte, hat der Bundestag diesem zwischenzeitlich zugestimmt und das Mutterschutzgesetz tritt in seiner neuen Fassung zum 01.01.2017 in Kraft.

Mit der Reform des Mutterschutzrechts möchte der Gesetzgeber das Mutterschutzgesetz an die Veränderungen der gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen anpassen und erreichen, dass Frauen selbstbestimmter über ihren Mutterschutz entscheiden können. Diesem Zweck dient die Erweiterung des Anwendungsbereichs des Mutterschutzgesetzes, wobei damit gleichzeitig eine Umsetzung europarechtlicher Vorgaben erfolgt.

Eine erste wesentliche Änderung des Mutterschutzrechts ist darin zu sehen, dass der persönliche Geltungsbereich des Gesetzes (§ 1 Abs. 2 MuschG) erheblich erweitert wurde.

Das Gesetz gilt ab 01.01.2017 auch für folgende Personenkreise:

  1. Frauen in betrieblicher Berufsbildung und Praktikantinnen im Sinne des § 26 des BBiG
  2. Frauen mit Behinderung, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt sind
  3. Frauen, die als Entwicklungshelferinnen tätig sind
  4. Frauen, die als Freiwillige nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz beschäftigt sind
  5. Frauen, die als Mitglieder einer geistlichen Genossenschaft, Diakonissen oder Angehörige einer ähnlichen Gemeinschaft auf einer Planstelle oder auf Grund eines Gestellungsvertrags für diese tätig werden, auch während der Zeit ihrer dortigen außerschulischen Ausbildung
  6. Frauen, die in Heimarbeit beschäftigt sind
  7. arbeitnehmerähnliche Selbstständige
  8. Schülerinnen und Studentinnen unter bestimmten Voraussetzungen, insbesondere dann, wenn die Ausbildungsstelle Ort, Zeit und Ablauf der Ausbildungsveranstaltung verpflichtend vorgibt. 

Berücksichtigt man, dass das Mutterschutzgesetz bisher nur für Arbeitnehmerinnen im arbeitsrechtlichen Sinne, für Heimarbeiterinnen und zudem über § 10 des BBiG für Auszubildende galt, ist der persönliche Geltungsbereich des Gesetzes in beträchtlichem Umfang erweitert worden.

Damit hat die Bundesregierung das Ziel verfolgt, ein berufsgruppenunabhängig für alle Frauen einheitliches Gesundheitsschutzniveau in der Schwangerschaft, nach der Entbindung und während der Stillzeit sicherzustellen. 

Kritiker machen geltend, dass der Gesetzgeber dieses ehrgeizige Ziel nicht erreicht hat. Dies deshalb, weil auch nach der Reform das Mutterschutzgesetz nicht alle Frauen und deren (ungeborene) Babys erreicht. So ist das neue Mutterschutzgesetz nicht anwendbar für Beamtinnen, Richterinnen und Soldatinnen (vgl. § 1 Abs. 3 MuschG). Auch „arbeitnehmerähnliche Personen“ (also Mütter, die selbstständig arbeiten, jedoch wirtschaftlich abhängig sind, weil sie hauptsächlich für einen Arbeitgeber arbeiten) werden zwar vom MuschG erfasst, jedoch findet ein Teil der Vorschriften (so die Regelung zum Mutterschaftsgeld und Mutterschaftslohn) keine Anwendung. Auch für selbstständig tätige Mütter, also Frauen, die Tätigkeiten für mehrere Auftraggeber selbstständig ausüben, gilt das Mutterschutzgesetz nach wie vor nicht. Diese Rechtslage steht im Widerspruch zu einem Beschluss des EU-Parlaments aus dem Jahre 2010, der einen gleichen Schutz für selbstständige und angestellte Frauen fordert. Schließlich endet für befristet angestellte Mütter der Anwendungsbereich des MuschG grundsätzlich mit der Beendigung des befristeten Arbeitsvertrages. Endet der Arbeitsvertrag also während der Schwangerschaft bzw. während der Mutterschaftsfrist vor oder nach der Entbindung, fallen solche Mütter aus dem Anwendungsbereich des MuschG heraus.

Eine weitere wesentliche Änderung des Mutterschutzrechts besteht darin, dass sich die Mutterschutzfrist nach der Entbindung eines behinderten Kindes von acht auf zwölf Wochen verlängert (§ 3 Abs. 2 Nr. 3 MuschG).

Schwangere Frauen können ab dem 01.01.2017 auf Wunsch bis 22:00 Uhr und auch an Sonn- und Feiertagen arbeiten. Nachtarbeit nach 22:00 Uhr ist jedoch weiterhin unzulässig (§§ 4 Abs. 2, 5 Abs. 1 MuschG).

Bevor zukünftig der Arbeitgeber ein Beschäftigungsverbot erteilt, muss eine „Rangfolge“ an Schutzmaßnahmen beachtet und getroffen werden. Erst dann, wenn nach einer Gefährdungsbeurteilung die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder der Einsatz an einem anderen Arbeitsplatz nicht möglich ist, darf eine schwangere oder stillende Frau nicht beschäftigt werden (§ 12 MuschG). 

Im Falle einer Fehlgeburt nach der 12. Schwangerschaftswoche besteht Kündigungsschutz im Umfang von vier Monaten (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 MuschG).

Schließlich hat der Gesetzgeber beim Familienministerium einen Ausschuss für Mutterschutz eingerichtet (§ 27 MuschG), der Arbeitgeber bei der Umsetzung der Maßnahmen zu beraten und Empfehlungen erstellen soll.

Sicherlich hat der Gesetzgeber durch die Reformierung des Mutterschutzgesetzes eine „bessere Umsetzung des Mutterschutzes“ (vgl. den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 28.06.2016) erreicht. Einigkeit besteht also darin, dass die Reform des Mutterschutzgesetzes „gut ist“. Viele meinen jedoch, das Gesetz sei „nicht gut genug“. Kritisiert wird in erster Linie, dass der Gesetzgeber es verpasst hat, allen Müttern – wirklich berufsgruppenunabhängig – den gleichen Mutterschutz zu gewähren. Es wird also auch nach dem 01.01.2017 für die Anwendbarkeit der Regeln des Mutterschutzrechtes darauf ankommen, ob es sich um eine angestellt arbeitende „Mutter“ oder eine befristet tätige „Mutter“ handelt. Kritiker der Reform verweisen darauf, dass der Gesetzgeber mit dem neuen Mutterschutzrecht die Forderung des Art. 6 Abs. 4 des GG („jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft“) nicht umgesetzt hat.