17. Januar 2013
StichworteArbeitsrecht Tarifrecht Rechtsprechung BAG Bundesarbeitsgericht

BAG: Darlegungs- und Beweislast im Überstundenprozess (Urteil vom 16.05.2012 - 5 AZR 347/11)
1. Verlangt der Arbeitnehmer Arbeitsvergütung für Überstunden, hat er darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat. Dabei genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, in dem er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat.
2. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen - nicht - nachgekommen ist. 3. Diese Grundsätze dürfen allerdings nicht schematisch angewendet werden, sondern bedürfen stets der Berücksichtigung der im jeweiligen Streitfall zu verrichtenden Tätigkeit und der konkreten betrieblichen Abläufe.
(Auszug den Orientierungssätzen)

Bewertung/Folgen der Entscheidung
Der Arbeitnehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen, muss also im Einzelnen darlegen und im Bestreitensfall beweisen, an welchen Tagen zu welchen Zeiten er in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden Umfang hinaus gearbeitet hat und die Überstunden darüber hinaus auch vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden oder aber zumindest betriebsnotwendig waren (vgl. BAG-Urteil vom 25. Mai 2005 - 5 AZR 319/04). Die mangelnde Erweislichkeit geht zu Lasten des Arbeitnehmers.
Zur Darlegung der jeweiligen Vorträge können im Verfahren Aufzeichnungen der Arbeitszeit herangezogen werden. Die bloßen Bezugnahmen auf entsprechende Anlagen ersetzen den schriftsätzlichen Vortrag nicht, können ihn aber erläutern. Inwieweit die im Einzelfall zu verrichtende Tätigkeit und die konkreten betrieblichen Abläufe die Anforderungen an die Darlegungslast für Arbeitnehmer auch in anderen Fallgestaltungen verändern können, bleibt offen.  
In Fällen, in denen der Arbeitnehmer die werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden überschreitet, ist der Arbeitgeber zu deren Aufzeichnung und Aufbewahrung verpflichtet (§ 16 Abs. 2 ArbZG). Nach zutreffender Auffassung des BAG kann diese Dokumentationspflicht im Arbeitsvertrag durch entsprechende AGB auf den Arbeitnehmer übertragen werden. Darin liege grundsätzlich weder ein Verstoß gegen Klauselverbote der §§ 308, 309 BGB noch eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 BGB (BAG-Urteil vom 18. April 2012 - 5 AZR 248/11).

 

BAG: Widerruf der Privatnutzung eines Dienstwagens in AGB (Urteil vom 21.03.2012 - 5 AZR 651/10)
1. Eine Allgemeine Geschäftsbedingung, nach der ein Arbeitnehmer einen auch privat nutzbaren Dienstwagen im Falle der Freistellung an den Arbeitgeber zurückgeben muss, ist wirksam.
2. Neben der Inhaltskontrolle der in einer Allgemeinen Geschäftsbedingung enthaltenen Widerrufsklausel steht die Ausübungskontrolle im Einzelfall gemäß § 315 BGB.
3. Die Interessenabwägung im Einzelfall kann dazu führen, dass der Arbeitgeber einen Dienstwagen nur unter Einräumung einer Auslauffrist zurückfordern darf. (Auszug Orientierungssätze)

Bewertung/Folgen der Entscheidung
1. Das BAG bestätigt, dass der Widerruf einer Dienstwagennutzung auch bei Überlassung zu privaten Zwecken wirksam in AGB vereinbart werden kann. Die streitgegenständliche Klausel hielt der AGB-Kontrolle stand, da sie den Grund für den Widerruf hinreichend benannt hat. Bei der Überlassung eines Dienstwagens ist danach ein Widerruf zumindest dann wirksam, wenn dies im Vertrag an sachliche Gründe wie z. B. die Kündigung des Arbeitnehmers mit (berechtigter) Freistellung von der Arbeitsleistung geknüpft ist, die die dienstlich bedingte Nutzung des Fahrzeugs entbehrlich machen (vgl. bereits BAG, Urt. vom 19. Dezember 2006 - 9 AZR 294/06).

2. Das BAG stellt zudem klar, dass eine Widerrufsklausel nicht mit einer Auslauf- oder Ankündigungsfrist versehen werden muss. Der Fünfte Senat erteilt damit der teilweise anders lautenden Instanzrechtsprechung zu Recht eine klare Absage.
Trotz wirksamer Klausel wertete das BAG den sofortigen Widerruf im konkreten Fall schließlich doch als unbillig, weil die Arbeitgeberin eine Nutzung bis zum Ende des Monats hätte gewähren müssen. Die Klägerin musste die private Nutzung des Dienstwagens für den gesamten Monat versteuern und besaß zudem kein eigenes Fahrzeug. Welche Bedeutung dieses letzte Kriterium für die Entscheidung hat, lässt sich aus dem mitgeteilten Sachverhalt nicht mit hinreichender Sicherheit ableiten. In Rd.-Nr. 23 führt das Gericht aus, "dieses war jedoch deren (der Klägerin) einziger Pkw".
Ob ein Arbeitnehmer über ein eigenes Fahrzeug neben dem Dienstwagen verfügt, den er auch zu privaten Zwecken nutzen kann, muss bei der Frage des Widerrufs der Nutzung eines dienstlich gestellten Pkw grundsätzlich unberücksichtigt bleiben. Es kann nicht Gegenstand eines Abwägungsprozesses sein, ob und wie viele Pkw eine Privatperson neben einem Dienstwagen nutzen kann. Das Risiko, dass mit dem Dienstwagen auch der einzige privat genutzte Pkw wegfällt, resultiert - von kaum vorstellbaren wenigen Ausnahmesituationen abgesehen - ausschließlich aus der Sphäre des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer kann sich nicht auf eine Weiternutzung verlassen und muss daher selbst entsprechende Vorsorge für den Ausfall des Fahrzeugs treffen.
Grundsätzlich ist daher die sofortige Rückforderung des auch zur Privatnutzung überlassenen Pkw zumindest dann möglich, wenn eine pauschale Besteuerung im Kalendermonat nicht zur Anwendung kommt. Liegt demgegenüber der Fall einer solchen Pauschalbesteuerung vor, bietet es sich nach dieser Entscheidung des BAG an, den auch zur Privatnutzung überlassenen Pkw zum jeweiligen Monatsende zurückzufordern.

 

BAG: Arbeitnehmer können keine Korrektur einer Dankesformel im Arbeitszeugnis verlangen (Urteil vom 11.12.2012, 9 AZR 227/11)
Arbeitgeber sind nicht gesetzlich verpflichtet, in ein Zeugnis eine Schlussformel aufzunehmen, mit der sie sich bei dem Arbeitnehmer bedanken, sein Ausscheiden bedauern oder ihm alles Gute für die Zukunft wünschen. Dementsprechend haben Arbeitnehmer auch keinen Anspruch auf Korrektur einer solchen Schlussformel, wenn sie mit deren Inhalt nicht einverstanden sind. Sie können lediglich verlangen, dass der Arbeitgeber die Schlussformel komplett aus dem Zeugnis streicht.

 

BAG: Betriebsrat kann Anhörung zur Kündigung nicht mangels Vollmachtsnachweises zurückweisen (Urteil vom 13.12.2012, 6 AZR 348/11 u.a.)
Ein Bote oder Stellvertreter des Arbeitgebers muss der Anhörung des Betriebsrats zu einer beabsichtigten Kündigung nicht entsprechend § 174 Satz 1 BGB eine Vollmachtsurkunde beifügen. Die Anhörung ist formlos möglich und kann sogar mündlich oder telefonisch erfolgen. Hat der Betriebsrat Zweifel an der Boten- oder Vertreterstellung, kann er sich nach dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit unmittelbar gegenüber dem Arbeitgeber äußern.

 

BAG: Arbeitskampf bei Unterrichtung über Wechsel in die OT-Mitgliedschaft unzulässig (Urteil vom 19.06.2012 - 1 AZR 775/10)
Wechselt ein Unternehmen innerhalb eines Arbeitgeberverbands während laufender Tarifverhandlungen wirksam von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine OT-Mitgliedschaft, kann die Gewerkschaft grundsätzlich nicht mehr zur Durchsetzung ausschließlich verbandsbezogener Tarifforderungen zu einem Warnstreik in diesem Unternehmen aufrufen, wenn sie über den Statuswechsel rechtzeitig vor Beginn der beabsichtigten Arbeitskampfmaßnahme unterrichtet wurde. (Leitsatz)

Bewertung/Folgen der Entscheidung
Das BAG hat mit der vorliegenden Entscheidung zu den arbeitskampfrechtlichen Folgen eines Wechsels in eine OT-Mitgliedschaft erstmals ausdrücklich einen Streik im Rahmen eines Verbandsarbeitskampfes für rechtswidrig erklärt, nachdem der Statuswechsel  des betroffenen Arbeitgebers für die Gewerkschaft hinreichend transparent und damit tarifrechtlich wirksam war. Richtigerweise haben die Richter darauf verzichtet, zusätzliche formale Anforderungen für die Unterrichtung über den Wechsel in die OT-Mitgliedschaft aufzustellen. Notwendig, aber auch ausreichend, ist die hinreichend klare und ggf. mündliche Mitteilung durch zumindest den Arbeitgeber zu einem Zeitpunkt, zu dem die Tarifverhandlungen noch andauern. Bemerkenswert ist auch, dass das Gericht es mangels ausreichender Anhaltspunkte ablehnte, den Warnstreik als Unterstützungsstreik zu bewerten. Die Verurteilung zum Schadensersatz ist daher konsequent richtig.

 

BAG: Anhebung der Regelaltersgrenze in der betrieblichen Altersvorsorge (Urteil vom 15.05.2012 – 3 AZR 11/10)
Nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist eine Regelung in einer Versorgungsordnung, die für den Eintritt des Versorgungsfalls auf das 65. Lebensjahr abstellt, regelmäßig dahingehend auszulegen, dass die Altersgrenze auf die jeweils geltende Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (§§ 35, 235 Abs. 2 SGB VI) Bezug nimmt. Voraussetzung dieser Auslegung ist jedoch die Tatsache, dass die Versorgungsordnung vor dem Inkrafttreten des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes (Gesetz vom 20. April 2007) entstanden ist.
Zwar weist das BAG in der Begründung darauf hin, dass im Wege der Auslegung ermittelt werden müsse, ob eine Versorgungsordnung auf die Vollendung des 65. Lebensjahres abstelle oder abstrakt auf die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung verweise.
In der Regel ist nach Auffassung des BAG aber bei der Auslegung von einem „Mitwandern“ der Altersgrenze auszugehen. Soweit keine anderen Anhaltspunkte bestehen, stellt die Benennung der Vollendung des 65. Lebensjahres damit eine dynamische Verweisung auf die schrittweise Anhebung der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung auf das 67. Lebensjahr bis 2029 dar. Für diese Auslegung spricht nach Auffassung des BAG der Umstand, dass die vom Arbeitgeber zu erbringende betriebliche Altersvorsorge als Gegenleistung für die gesamte Betriebszugehörigkeit zwischen dem Beginn des Arbeitsverhältnisses und dem Erreichen der festen Altersgrenzen aufgefasst werde.

 

BAG: Rechtsprechungsänderung zur Anrechnung von Urlaubsansprüchen bei Doppelarbeitsverhältnissen (Urteil vom 21.12.2012 - 9 AZR 487/10)
Hat der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis gekündigt und besteht nach der Entscheidung des Gerichts das Arbeitsverhältnis fort, hat er allerdings die während des Kündigungsrechtsstreits entstandenen Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers grundsätzlich auch dann zu erfüllen, wenn dieser inzwischen mit einem anderen Arbeitgeber ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen ist.
Der Arbeitnehmer muss sich nur dann den ihm während des Kündigungsrechtsstreits vom anderen Arbeitgeber gewährten Urlaub auf seinen Urlaubsanspruch gegen den alten Arbeitgeber anrechnen lassen, wenn er die Pflichten aus beiden Arbeitsverhältnissen nicht gleichzeitig hätte erfüllen können.
Bis lang galt laut BAG-Rechtsprechung, dass Urlaubsansprüche aus dem neuen Arbeitsverhältnis nicht mit dem Urlaubsanspruch aus dem vorhergehenden Arbeitsverhältnis verrechnet werden durften (Urt. v. 28. Februar 1991, 8 AZR 196/90). Die Rechtsprechungsänderung des BAG verhindert ungerechtfertigte Doppelansprüche.

 

BAG: Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung - Arbeitgeber kann Bescheinigung bereits am ersten Tag der Erkrankung verlangen (Urteil vom 14.11.2012, 5 AZR 886/11)
Der Arbeitgeber ist nach § 5 Abs. 1 Satz 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) berechtigt, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bereits am ersten Tag der Erkrankung zu verlangen.
Zwar ist in § 5 Abs.1 Satz 2 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) der Grundsatz niedergelegt, dass ein Arbeitnehmer bei einer länger als drei Kalendertage dauernden Arbeitsunfähigkeit spätestens am vierten Tag der Erkrankung ein ärztliches Attest vorlegen muss.
§ 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG räumt dem Arbeitgeber jedoch das Recht ein, die Vorlage der Bescheinigung früher zu verlangen. Das Gesetz weist dem Arbeitgeber somit ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht (Direktionsrecht) zu, auf dessen Grundlage er die frühere Vorlage anordnen kann.
Die Ausübung dieses Rechts steht im freien - nicht an besondere Voraussetzungen gebundenen - Ermessen des Arbeitsgebers, so das BAG.

 

BAG: Betriebliche Altersvorsorge: Einstandspflicht des Arbeitgebers bei Pensionskassenzusagen (Urteil vom 19.06.2012 - 3 AZR 408/10)
1. Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zugesagt, die über eine Pensionskasse durchgeführt werden, und macht die Pensionskasse von ihrem satzungsmäßigen Recht Gebrauch, Fehlbeträge durch Herabsetzung ihrer Leistungen auszugleichen, hat der Arbeitgeber nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG dem Versorgungsempfänger im Umfang der Leistungskürzung einzustehen.
2. Von dieser Einstandspflicht kann der Arbeitgeber sich durch vertragliche Abreden nicht zum Nachteil der Arbeitnehmer befreien. Deshalb begründet eine in der Versorgungszusage enthaltene (dynamische) Verweisung auf die Satzung der Pensionskasse kein akzessorisches Recht des Arbeitgebers zur Kürzung laufender Leistungen der betrieblichen Altersversorgung.

Bewertung / Folgen der Entscheidung
Mit dieser Entscheidung hat das BAG die Einstandspflicht bzw. die Subsidiärhaftung des Arbeitgebers bei mittelbarer Durchführung der betrieblichen Altersvorsorge nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG erstmalig für die in der Praxis der Pensionskassenzusagen vielfach verwendeten Verweisungsklauseln auf die Satzung der Pensionskasse konkretisiert. Arbeitgeber, deren Versorgungszusagen solche Verweisungsklauseln zugrunde liegen, haben für Leistungsherabsetzungen der Pensionskasse einzustehen, obgleich sie mit diesem Verweis regelmäßig den gesamten Leistungsplan und die Satzung zum Inhalt ihrer Versorgungszusage machen wollten. Da das BAG seine einschränkende Auslegung aus der Verbotsnorm nach § 17 BetrAVG herleitet, dürften auch ausdrückliche Verweise auf die Leistungskürzungsmöglichkeit aufgrund von Satzungsbestimmungen der Pensionskasse unwirksam sein. Insofern besteht kaum Spielraum, das Risiko einer Einstandspflicht für herabgesetzte Leistungen der Pensionskasse auszuschließen.
Sofern eine andere Risikoverteilung im Rahmen von (künftigen) Pensionskassenzusagen angestrebt wird, lässt sich das ausschließlich durch ausdrückliche Erteilung von Zusagen in Form einer Beitragszusage mit Mindestleistung (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG) erreichen. Dies ergibt sich auch aus der Unterscheidung des BAG, das die Zusageebene zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer strikt von der Einstandspflicht des Arbeitgebers als Erfüllungsanspruch aus diesem Durchführungsweg trennt.

 

BAG: Abgrenzung Arbeitnehmerüberlassung und Dienstvertrag (Urteil vom 18.01.2012 - 7 AZR 723/10)
1. Eine Überlassung zur Arbeitsleistung i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AÜG liegt vor, wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in dessen Betrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach Weisungen des Entleihers in dessen Interesse ausführen.
2. Nicht jeder drittbezogene Arbeitseinsatz unterfällt dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Von der Arbeitnehmerüberlassung zu unterscheiden ist die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrages. In diesen Fällen wird der Unternehmer für einen anderen tätig. Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrages eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen den Weisungen des Unternehmers und sind dessen Erfüllungsgehilfen.
3. Über die rechtliche Einordnung des Vertrages zwischen dem Dritten und dem Arbeitgeber entscheidet der Geschäftsinhalt und nicht die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge oder eine Bezeichnung, die dem tatsächlichen Geschäftsinhalt nicht entspricht. Der Geschäftsinhalt kann sich sowohl aus den ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien als auch aus der praktischen Durchführung des Vertrages ergeben. Widersprechen sich beide, so ist die tatsächliche Durchführung des Vertrages maßgebend.
(Auszug aus den Orientierungssätzen)  

Das BAG hatte sich mit der Frage der Abgrenzung des Personaleinsatzes im Rahmen eines Dienstvertrags zur Arbeitnehmerüberlassung zu beschäftigen.

I. Sachverhalt
Als zuständige Luftsicherheitsbehörde führte die Beklagte Fluggast- und Gepäckkontrollen am Flughafen durch. Hierzu setzte sie neben eigenen Beamten und Arbeitnehmern beliehene Sicherheitskräfte ein, die von privaten Sicherheitsunternehmen angestellt waren. Ende 2005 schloss die Beklagte mit der F GmbH für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 31. März 2010 einen Vertrag über die Durchführung von Aufgaben der Luftsicherheit auf dem Flughafen (Durchführungsvertrag). Danach war die F GmbH verpflichtet, die ihr übertragenen Fluggastkontrolldienstleistungen durch ihre Mitarbeiter/ -innen zu erbringen. § 10 des Durchführungsvertrages berechtigte die Bediensteten der Beklagten, der F GmbH zur Aufgabendurchführung jederzeit im Rahmen der ihnen als Luftfahrtbehörde obliegenden Aufsicht fachliche Weisungen zu erteilen. Zu diesem Zwecke hatte die F GmbH zu gewährleisten, dass während der gesamten Kontrollzeit ein Ansprechpartner mit Leitungsfunktion zur Verfügung stand, da das Weisungsrecht vorrangig gegenüber solchen Mitarbeitern ausgeübt werden sollte. Über Arbeitsweise und -verhalten existierten bei der Beklagten detaillierte Dienstanweisungen, auf deren Grundlage die F GmbH für ihre Mitarbeiter ein Handbuch erstelle und diesem die Dienstanweisungen als Anlage beifügte.
Seit dem 23. Dezember 2007 verfügte die F GmbH über eine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Zum 1. April 2010 wurde der Auftrag zur Durchführung von Fluggastkontrollen anderweitig vergeben.
Der Kläger ist der Ansicht, zwischen ihm und der Beklagten sei ein Arbeitsverhältnis begründet worden, da er  von der F GmbH im Wege unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben an die Beklagte überlassen worden sei. Das Arbeitsgericht hat die auf entsprechende Feststellung gerichtete Klage abgewiesen, das LAG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

II. Entscheidungsgründe
Das BAG hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Zwischen den Parteien sei kein Arbeitsverhältnis wegen unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung zustande gekommen. Gegenstand des zwischen der Beklagten und der F GmbH geschlossenen Durchführungsvertrages sei nicht die Überlassung von Arbeitnehmern gewesen. Vielmehr handele es sich um einen Dienstvertrag.
1. Abstrakte Voraussetzungen
Eine Überlassung zur Arbeitsleistung i. S. d. AÜG liegt vor, wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt würden, die in dessen Betrieb eingegliedert seien und ihre Arbeit allein nach Weisungen des Entleihers und in dessen Interesse ausführten. Notwendiger Inhalt eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages sei die Verpflichtung des Verleihers gegenüber dem Entleiher, diesem zur Förderung von dessen Betriebszwecken Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen.
Im Falle der Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrages werde der Unternehmer für einen anderen tätig. Er organisiere die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolges notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und bleibe für die Vertragserfüllung gegenüber dem Drittunternehmer verantwortlich. Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrages eingesetzten Arbeitnehmer unterlägen den Weisungen des Unternehmers und seien dessen Erfüllungsgehilfen. Der Werkbesteller könne jedoch dem Werkunternehmer selbst oder dessen Erfüllungsgehilfen Anweisungen für die Ausführung des Werkes erteilen, vgl. § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB. Entsprechendes gelte für Dienstverträge.  
2. Maßgebliches Abgrenzungskriterium
Über die rechtliche Einordnung des Vertrages zwischen dem Dritten und dem Arbeitgeber entscheide der Geschäftsinhalt. Dieser könne sich sowohl aus den ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien als auch aus der praktischen Durchführung des Vertrages ergeben. Maßgeblich ist die tatsächliche Durchführung.
3. Weisungsrecht bei der F GmbH
Der von den Parteien geschlossene Durchführungsvertrag sehe nicht vor, dass die F GmbH das Weisungsrecht für die bei ihr angestellten Sicherheitskräfte auf die Beklagte übertrage. Der Umstand, dass die F GmbH auf der Grundlage detaillierte Anweisungen der Beklagten für ihre Mitarbeiter ein Handbuch erstellt und besagte Anweisungen diesem als Anlage beigefügt habe, vermöge hieran nichts zu ändern. Im Sicherheitsgewerbe bestimme der Auftraggeber regelmäßig, wie die Sicherheitskontrollen durchzuführen seien, wobei er seinerseits normative Vorgaben zu beachten habe. Das Handbuch spiegele als projektbezogene Anweisung (vgl. § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB) den vom Auftraggeber gewünschten gesetzeskonformen Qualitätsstandard wider.  
4. Haftungsregelung
Die in § 11 des Durchführungsvertrages vorgesehene Haftungsregelung und die dort vereinbarte Pflicht der F GmbH, eine verkehrsübliche Haftpflichtversicherung abzuschließen, spreche gegen Arbeitnehmerüberlassung und für einen auf die Leistung von Sicherheitsdiensten gerichteten Dienstvertrag, zu dessen Erfüllung sich die F GmbH eines eigenen Personals als Erfüllungsgehilfen i. S. v. § 278 BGB bedient habe.

III. Bewertung/ Folgen der Entscheidung
Mit der vorliegenden Entscheidung unterstreicht das BAG noch einmal die Kriterien für die Abgrenzung von Werk- und Dienstverträgen zu Fällen der Arbeitnehmerüberlassung.
Ein wesentliches Kriterium ist danach die Eingliederung des Arbeitnehmers in den Einsatzbetrieb. Ebenso große Bedeutung kommt der Zuordnung des Weisungsrechts zu. Nach der Entscheidung ist auch eine Vereinbarung über die Haftung für die geleistete Arbeit und die Vertragserfüllung von Bedeutung.
Entsprechend der bisherigen Rechtsprechung (vgl. zuletzt LAG Hamm vom 2. Februar 2012, 8 Sa 1502/11) steht die konkrete Beschreibung der vertraglich geschuldeten Leistung der Annahme von Werk- oder Dienstverträgen nicht entgegen. Die Einhaltung hoher Qualitätsstandards ist vielmehr ein berechtigtes Interesse des Auftraggebers. Das LAG Hamm hat dies plastischer noch als das BAG in seiner Entscheidung mit folgenden Worten zum Ausdruck gebracht:
"So wie bei einem Werkvertrag, der den mit der Wohnungsrenovierung beauftragte Handwerker die Vorgaben des Auftraggebers zu beachten hat, in welchem Raum mit der Renovierung begonnen, ob die Tapeten verklebt und in welcher Farbe die Fenster gestrichen werden, ohne, dass diese Vorgaben der Ausübung des arbeitsvertraglichen Weisungsrechts oder in arbeitsbezogenen Weisungen gegenüber einem Leiharbeitnehmer gleichstehen, bedarf es auch bei einem Dienstleistungsauftrag .... im Hinblick auf die aus dem Dienstleistungsvertrag bzw. der Leistungsbeschreibung folgenden einzelnen Aufgaben". Eine klare Aufgabenbeschreibung kann danach den Charakter des Vertrags als werk- oder dienstvertraglich geschuldete Leistung sogar noch unterstreichen.

 

BGH: Zur Haftung des Betriebsrats und seiner Mitglieder bei der Beauftragung eines Beraters (Urteil vom 25.10.2012, III ZR 266/11)
Aufbauend auf der BAG-Rechtsprechung zur Vermögens- und Rechtsfähigkeit des Betriebsrats im Verhältnis zum Arbeitgeber ist eine Vermögens- und - daraus folgend - eine Rechtsfähigkeit des Betriebsrats auch im Verhältnis zu Dritten (hier: ein Beratungsunternehmen) anzunehmen, soweit die mit dem Dritten getroffene Vereinbarung innerhalb des gesetzlichen Wirkungskreises des Betriebsrats liegt. Die Grenzen des dem Betriebsrat bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der Beratung zustehenden Spielraums sind im Interesse seiner Funktions- und Handlungsfähigkeit nicht zu eng zu ziehen.
Lässt sich ein Betriebsrat im Rahmen von Interessenausgleichsverhandlung von einem Dritten gem. § 111 Satz 2 BetrVG beraten, so ist der Beratungsvertrag nur insoweit wirksam, als die vereinbarte Beratung zur Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich sowie das versprochene Entgelt marktüblich ist und der Betriebsrat daher einen Kostenerstattungs- und Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber gem. § 40 Absatz 1 BetrVG hat. Denn nur in diesem Umfang ist der Betriebsrat vermögens- und daher auch rechtsfähig. Wird die Grenze der Erforderlichkeit überschritten, kann der Betriebsratsvorsitzende gegenüber dem Beratungsunternehmen grds. als Vertreter ohne Vertretungsmacht haften.

 

LAG Hamm: Beleidigende Äußerungen gegenüber Ausbilder auf Facebook-Profil des Auszubildenden können fristlose Kündigung rechtfertigen (Urteil vom 10.10.2012, 5 Sa 451/12)
Eintragungen auf dem Facebook-Profil eines Auszubildenden, die geeignet sind, den Ausbilder zu beleidigen (hier: "menschenschinder & ausbeuter"), können eine fristlose Kündigung des Ausbildungsverhältnisses rechtfertigen. Die Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses stehen der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der Auszubildenden bei Zugang der Kündigung deutlich über 20 Jahre alt ist (hier: 26 Jahre).

 

LAG Niedersachsen: § 14 Abs. 2 TzBfG findet auch auf befristete Arbeitsverhältnisse von Betriebsratsmitgliedern Anwendung (Urteil vom 08.08.2012 - 2 Sa 1733/11)
1. § 14 II TzBfG ist nicht richtlinienkonform dahingehend einzuschränken, dass er auf befristete Arbeitsverhältnisse von Betriebsratsmitgliedern keine Anwendung findet.
2. Der von Artikel 7 der Richtlinie 2002/14/EG geforderte Mindestschutz für die Arbeitnehmervertreter im deutschen Recht ist wird auch bei nach § 14 II TzBfG sachgrundlos befristeten Arbeitsverträgen von Betriebsratsmitgliedern unter anderem durch §§ 78 Satz 2, 119 BetrVG (i.V.m. § 280 I BGB oder § 823 II BGB) gewährleistet. Aus dem Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG kann sich ein Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages ergeben, wenn die Nichtübernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis allein auf der Betriebsratstätigkeit beruht.
3. Darlegungs- und Beweislast für eine derartige Benachteiligung trägt der Arbeitnehmer. Der von Artikel 7 der Richtlinie 2002/14/EG geforderte effektive Mindestschutz ist dadurch zu gewähren, dass im Rahmen von § 78 Satz 2 BetrVG von einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast auszugehen ist. Mangels einer planwidrigen Regelungslücke kann § 78 a II 1 BetrVG nicht analog angewandt werden.
(Leitsätze des Gerichts)

 

LAG Berlin-Brandenburg: Befristete Einstellung von Leiharbeitnehmern auf Dauerarbeitsplätzen – Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats (Beschluss vom 19.12.2012 - 4 TaBV 1163/12, n. rkr.)
Die Einstellung eines Leiharbeitnehmers auf einem Dauerarbeitsplatz verstößt gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Der Betriebsrat kann deshalb der Einstellung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) seine Zustimmung verweigern.
Der Arbeitgeber beabsichtigt, auf Dauer eingerichtete Arbeitsplätze mit jeweils befristet eingesetzten Leiharbeitnehmern zu besetzen. Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung zu diesen Einstellungen. Der Arbeitgeber begehrt die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung.
Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag der Arbeitgeberin auf Zustimmungsersetzung zurückgewiesen. Der Betriebsrat habe seine Zustimmung zu Recht verweigert, weil die Einstellungen gesetzwidrig seien. Eine Arbeitnehmerüberlassung erfolge nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG vorübergehend. Auch wenn das Gesetz eine zeitliche Höchstdauer der Arbeitnehmerüberlassung nicht (mehr) regele und dem Arbeitgeber daher ein Einsatz von Leiharbeitnehmern im Interesse einer flexiblen Arbeitsgestaltung weitgehend erlaubt sei, dürfe der Einsatz jedoch nicht auf Dauerarbeitsplätzen erfolgen. Dass die Beschäftigung des jeweiligen Leiharbeitnehmers vorübergehend erfolgen solle, sei dabei unerheblich.
Das Landesarbeitsgericht hat die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht zugelassen.

 

LAG Niedersachsen: Dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung – Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrates (Beschlüsse vom 19.09.2012 - 17 TaBV 22/12 und 17 TaBV 124/11, n. rkr.)
1. Der Dauerverleih von Arbeitnehmern im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit ist seit der Neufassung des AÜG vom 20.12.2011 (BGBI I. S. 2854), mit dem die Richtlinie 2008/104/EG umgesetzt wurde, unzulässig.
2. Beabsichtigt der Arbeitgeber die unbefristete Einstellung einer Arbeitnehmerin auf einem sog. Dauerarbeitsplatz, kann der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einstellung gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 AÜG, § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG wegen Gesetzesverstößen verweigern.
3. Stellt der Arbeitgeber grundsätzlich nur noch Leiharbeitnehmer ein, um eine Senkung der Personalkosten zu erreichen, so kann dies unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls als institutioneller Rechtsmissbrauch (§ 242 BGB) ein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG begründen. In einem solchen Fall kann nicht festgestellt werden, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war (§ 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG).
(Leitsätze des Gerichts)

 

LAG Berlin-Brandenburg: Nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung führt nicht zu einem Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher (Urteil vom 16.10.2012, 7 Sa 1182/12, n. rkr.)
Nach § 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) bedürfen Arbeitgeber, die im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit als Verleiher Dritten Leiharbeitnehmer zur Arbeitsleistung überlassen wollen, der Erlaubnis. Die Überlassung von Arbeitnehmern erfolgt nach dem Ende 2011 in Kraft getretenen Gesetzeswortlaut vorübergehend. Im Gesetz ist nicht näher geregelt, wann ein vorübergehender Einsatz anzunehmen ist und welche Rechtsfolgen im Falle nicht nur vorübergehender Leiharbeit eintreten, insbesondere, ob in diesem Falle ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher zustande kommt.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat nun entschieden, dass selbst im Falle einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung kein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher zustande kommt. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Falle hatte das Tochterunternehmen einer Krankenhausbetreibergesellschaft, welches mit Erlaubnis Arbeitnehmerüberlassung betreibt, dieser die als Krankenschwester beschäftigte Klägerin für die gesamte bisher über vierjährige Dauer des Arbeitsverhältnisses als Leiharbeitnehmerin überlassen. Das Landesarbeitsgericht ließ offen, ob es sich hierbei um eine nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung handelte, die von der Klägerin geltend gemachte Rechtsfolge des Zustandekommens eines Arbeitsverhältnisses sei jedenfalls vom Gesetzgeber für diesen Fall nicht vorgesehen worden. Auch ein rechtsmissbräuchliches Strohmanngeschäft könne in derartigen Fällen jedenfalls dann nicht angenommen werden, wenn das Arbeitsverhältnis wie im vorliegenden Falle vor der Ende 2011 erfolgten Änderung des AÜG abgeschlossen worden sei.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. (Quelle: PM des LAG)

 

LAG Baden-Württemberg: Beginn der Ausschlussfrist für Equal-pay-Ansprüche nach CGZP-Entscheidung (Urteil vom 27.08.2012, 9 Sa 187/11, n. rkr.)
Die (vertragliche) Ausschlussfrist für Differenzlohnansprüche nach § 10 Abs. 4 AÜG wegen Tarifunfähigkeit der CGZP beginnt erst am 14.12.2010 mit der Entscheidung des BAG im Verfahren 1 ARB 19/10.
(Leitsatz des Gerichts)
Erst mit der Verkündung des BAG-Urteils Ende 2010 und nicht schon mit der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg, begann die dreimonatige Verfallsfrist für die Lohnnachforderung zu laufen, hat das LAG Baden-Württemberg entschieden. Vorher sei es selbst bei Rechtskundigen strittig gewesen, wie die Tariffähigkeit der CGZP zu werten sei. Daher sei erst mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens beim BAG klargeworden, dass Lohnansprüche geltend gemacht werden können.
Dem Kläger stehe daher gut 7.000,00 € Lohnnachzahlung zu. Bei der Höhe des Lohnnachschlags dürfe der Arbeitgeber die gezahlten Aufwandsentschädigungen für Fahrtkosten und Verpflegungsaufwand nicht mit der Lohnnachforderung gegenrechnen. Denn hierbei handele es sich um kein Arbeitsentgelt.
Zur Rechtsfrage, wann die Ausschlussfristen wegen unwirksamer CGZP-Tarife anfangen zu laufen, sind die einzelnen Instanzgerichte aber uneins. Neben dem LAG Baden-Württemberg entschied auch das LAG Berlin-Brandenburg, dass der Zeitpunkt des BAG-Urteils maßgeblich ist (Az: 7 Sa 1318/11). Das LAG Nürnberg (AZ: 2 Sa 516/11) sowie die LAGs Chemnitz (AZ: 1 Sa 322/11) und Düsseldorf (AZ: 11 Sa 852/11) meinen, dass die Ausschlussfristen bereits mit der Urteilsverkündung des LAG Berlin-Brandenburg am 07.12.2009 begannen zu laufen. Zu diesem Zeitpunkt seien alle Tatsachen bekannt gewesen. In allen Verfahren haben die Gerichte die Revision zugelassen.
Nach Angaben des BAG wird voraussichtlich erst Ende 2013 über die Frage der Ausschlussfristen bei Leiharbeitsverträgen höchstrichterlich entschieden.

 

ArbG Duisburg: Grobe Beleidigung durch Einträge in sozialen Netzwerken als Kündigungsgrund (Urteil vom 21.08.2012 – 6 Sa 1149/11)
Eine grobe Beleidigung des Arbeitgebers oder von Kollegen kann eine Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen. Dies gilt auch für Einträge in sozialen Netzwerken wie „facebook“. Ein Eintrag in einem sozialen Netzwerk kann nicht mit einer wörtlichen Äußerung unter Kollegen gleichgestellt werden, denn solange der Eintrag nicht gelöscht wird, kann er immer wieder nachgelesen werden, so dass nachhaltig in die Rechte des Betroffenen eingegriffen wird. Hierfür kommt es jedenfalls, wenn viele Arbeitskollegen zu den "facebook-Freunden" des Arbeitnehmers gehören, auch nicht darauf an, ob die Beleidigungen für jedermann oder nur für Freunde sichtbar gepostet worden sind.
Im Einzelfall kann allerdings eine Kündigung ausgeschlossen sein, etwa wenn der Arbeitnehmer im Affekt gehandelt und die Kollegen nicht namentlich benannt hat.

 

ArbG Bonn: "ALEB" ist keine tariffähige Gewerkschaft (Beschluss vom 31.10.2012, 4 BV 90/12, n. rkr.)
Die Gewerkschaften ver.di und Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) sowie die Länder Berlin und Nordrhein-Westfalen hatten ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren auf Feststellung der Tarifunfähigkeit der Arbeitnehmerverbandes land- und ernährungswirtschaftlicher Berufe (ALEB) gestellt.
Das Verfahren steht im Zusammenhang mit dem Beschluss des BAG vom 14.12.2010, mit dem die Tarifunfähigkeit der CGZP festgestellt worden war. Schon vorher hatten fünf Mitgliedsverbände des Christlichen Gewerkschaftsbundes Deutschland (CGB) - darunter auch der ALEB - Anfang 2010 "mehrgliedrige" Tarifverträge für die Zeitarbeit mit ihnen als angeblich selbständigen Tarifvertragsparteien geschlossen.
Das ArbG Bonn hält ALEB für nicht tariffähig. Mangels sozialer Mächtigkeit stelle der Verband keine Gewerkschaft im Rechtssinne dar und kann daher keine rechtswirksamen Tarifverträge abschließen.
Der Beschluss ist nicht rechtskräftig.

 

Vorlagebeschluss - ArbG Nienburg: Anpassung der Urlaubsansprüche beim Übergang von Voll- in Teilzeitbeschäftigung (04.09.2012 - 2 Ca 257/12 Ö bzw. C-415/12 Rs. Brandes)
Das Arbeitsgericht Nienburg (ArbG) hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, inwieweit die Anpassung des Erholungsurlaubs beim Übergang von Vollzeit- auf Teilzeitbeschäftigung und einer damit einhergehenden Verringerung der Wochenarbeitstage europarechtlich zulässig ist.
Vorlagefrage: Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Artikel 267 AEUV folgende Frage vorgelegt: Ist das einschlägige Unionsrecht, insbesondere § 4 Nr. 1 und 2 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit in der durch die Richtlinie 98/23 geänderten Fassung dahingehend auszulegen, dass es nationalen gesetzlichen oder tariflichen Bestimmungen oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach der bei einer mit der Änderung der Zahl der wöchentlichen Arbeitstage verbundenen Änderung des Beschäftigungsausmaßes eines Arbeitnehmers das Ausmaß des noch nicht verbrauchten Anspruchs auf Erholungsurlaub, dessen Ausübung dem Arbeitnehmer im Bezugszeitraum nicht möglich war, in der Weise angepasst wird, dass der in Wochen ausgedrückte Urlaubsanspruch der Höhe nach zwar gleich bleibt, jedoch hierbei der in Tagen ausgedrückte Urlaubsanspruch auf das Entstehungsausmaß umgerechnet wird?
Bewertung/Folgen der Entscheidung
Der Vorlagebeschluss des ArbG ist überflüssig. Der EuGH hat sich in der Rechtssache Tirol (Urt. v. 22. April 2010, C-486/08) bereits umfassend mit der Umrechnung von Urlaubsansprüchen beim Übergang von Vollzeit- in Teilzeitbeschäftigung befasst. Aus dem Vorlagebeschluss des ArbG geht nicht hervor, ab wann die Klägerin einem Beschäftigungsverbot unterlag und somit nicht die Gelegenheit hatte, von ihrem Urlaubsanspruch Gebrauch zu machen. Dies wäre aber vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Tirol hier genauer zu prüfen gewesen.
Der EuGH hatte in der Rechtssache Tirol entschieden, dass der in der Vollzeitbeschäftigung erworbene Urlaubsanspruch nicht gekürzt oder nicht nur mit einem geringeren Entgelt verbraucht werden darf. Dies gilt allerdings in jedem Fall nur insoweit, als noch während der Vollzeitbeschäftigung erworbener Urlaub vorhanden ist. Für während der Teilzeitbeschäftigung erworbenen Urlaub erfolgt weiterhin eine dem Umfang der Teilzeitbeschäftigung entsprechende Anpassung des Urlaubsentgelts.